Der kleine Kalli

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(15) Der kleine Kalli – im Schlagerolymp

Wer auch immer für die Programmgestaltung im Öffentlich-Rechtlichen Fernsehen zuständig ist, er muss eng befreundet sein mit Kallis Großmutter ‚Lisbeth. Elisabeth, wie die 97-Jährige ‚Lisbeth offiziell heißt, spult seit ihrem 95-jährigen Jubiläum Schlagersendungen nunmehr auf einem 55 Zoll großen Flachbildschirmfernseher ab. Das ganze natürlich in Super HD, sodass man jede einzelne Hautpore von Andrea Berg, Florian Silbereisen und Co genaustens sehen kann. Für dennoch auftretende Unschärfen hält das Gerät eine Lupenfunktion bereit. Nun ist der kleine Kalli zwar gerne bei Oma ‚Lisbeth, die für gemeinsame Schlagerabende meist ein üppiges Schmerzensgeld zahlt, jedoch macht sich bei Kalli in letzter Zeit Unmut breit. Seine Jugendstars wie bspw. Gottschalk verschwinden mehr und mehr von der Bildfläche und werden durch neue, wenngleich nicht bessere Entertainer abgelöst. Erst kürzlich musste Kalli sich der Herausforderung stellen und eine gesamte Show „Wetten, dass…?“ anschauen. Kalli überstand die Strapazen nur mit den leckeren Schnappspralinen von seiner Oma. ‚Listbeth aber schien der ganze Rummel um den Showneuling kalt zu lassen. Zum Ende der Sendung schlatete ‚Lisbeth mit den Worten ab:“Ach, der Elstner hat das wieder ganz prima gemacht. Dass der sich das in seinem Alter noch antut…“

(14) Der kleine Kalli – will endlich Schlittenfahren

Schon Kallis Mutter sagte immer, dass man mit ihr nicht Schlittenfahren könne. Und das stimmte auch. Kaum vielen die ersten Flocken und puderten den Garagenhof der Plattenbausiedlung in dezentem Weiß, schon verkroch sich Kallis Mutter hinter dem Ofen und betete, dass die Eisheiligen bald das Ende der „weißen Pest“, wie sie das Schneetreiben liebevoll nannte, einleiten. Doch heute muss sich der kleine Kalli nicht mehr dem Diktat seiner Mutter beugen, sondern vielmehr dem des Petrus. Petrus scheint ohnehin die Miesmuschel unter den Heiligen zu sein und zu allem Überfluss mit Kallis Vorgesetzten unter einer Decke zu stecken. Wie sonst kam dieser Wetterheilige an Kallis Urlaubskalender? Der Winter sollte dieses Jahr also ausfallen, das Frühjahr dafür durchwachsen werden und der Sommer nass. Letzte Hoffnung liegt auf dem Herbst, wobei sich Kalli Zeit seines Lebens nicht an einen goldenen Bilderbuchherbst erinnern kann, wie er gerne in der Medikamentenvorschau zum Wetterbericht vorgegaukelt wird. Seit Kachelmann nicht mehr für das Wetter in Deutschland zuständig ist, scheint es ohnehin bergab zu gehen. Strömungsfilme, Allergikerwetter, Biowetter, Mondphasenvorschau und Jahrhundertunwetterwarnungen haben längst die Frage „Jacke – ja / nein?!“ abgelöst. Und überhaupt das ganze Gerede von Klimawandel interessiert den kleinen Kalli nicht die Bohne. Ozonlöcher hat er noch nicht gesehen und vor Mittelmeerklima in Deutschland hat er auch keine Angst. Mit diesen Gedanken lädt er seine Freundin Klara auf einen großen Eisbecher ein in der Stadt ein und will bei dieser Gelegenheit mit ihr die Kostümideen für Fasching besprechen, denn das Bärenkostüm von letztem Jahr ist dem kleinen Kalli dann doch eine Nummer zu heiß.

(13) Der kleine Kalli – im Zuge der Reservierungskultur

Einen Platz im Zug zu haben, ist auf längeren Reisen zwar schön, wird mit zunehmendem Alter aber unerlässlich. So hat sich auch der kleine Kalli die letzten Male dazu verleiten lassen, in den teilweise etwas volleren ICE (Abkürzung für Inter City Express, wobei mit City hier auch Städte jenseits der Wetterkarte gemeint sind) zu reservieren. Früher war das ein teurer Spaß – heute ist es nur noch teuer. Nach der letzten Preiserhöhung muss der kleine Kalli fast seine ganzen Ersparnisse opfern, um Rentnern und schwangeren Frauen die Sitzplätze wegnehmen zu dürfen. 4,50 € – „komfortabel“ nennt die Bahn das, Kalli sagt gerne auch einfach nur „unverschämt“ dazu. Immerhin kostet sein Ticket für die halbe Stunde ICE-Reise „nur“ 16 €, mit Bahncard 50 versteht sich. Aber die Bahn wäre nicht die Bahn, wenn sie nicht trotz Preiserhöhungen den nötigen Spaßfaktor erhalten würde. So geschah es, dass der kleine Kalli von Frankfurt nach München reisen musste und leider in aller Hektik vergessen hatte, sich eine Reservierung hinzuzubuchen. Nun war beim Einstieg der Kampf um freie bzw. durch Rucksäcke belegte Plätze eröffnet. Dank der Günstigpreispolitik, die mit einer Überbuchung des Zuges zu 400% einhergeht (3 Stehplätze auf 1 Sitzplatz bei gleichem Fahrkartenpreis für alle Beteiligten), war nur noch ein einziger Platz frei. Kalli stürmte los, doch leider schnappte ihm eine Hochschwangere Dame den für Schwangere, Herzleidende und andere Risikomenschen ungünstige, entgegen der Fahrtrichtung liegende Platz vor der Nase weg. Die Frau grinste nur hämisch packte ein Nutellabrot mit Zwiebeln aus. Kalli blieb daneben stehen, zückte sein Smartphone, öffnete genügsam die BahnAPP und reservierte „Sitzplatzgenau“ ab Würzburg den Platz der unhöflichen Dame. Kalli beugte sich zu ihr herunter und sagte reserviert: „Machen Sie es sich nicht zu bequem, ab Würzburg habe ich den Platz reserviert.“

(12) Der kleine Kalli – auf dem Weihnachtsmarkt

Mandelduft und Tannenzweige, Krippenfiguren und Räuchermännchen, all die vielen schönen vorweihnachtlichen Dinge sind es, die auch den kleinen Kalli auf den mit vielen Lichtern geschmückten Weihnachtsmarkt ziehen. Ein Weihnachtsmarkt der genau genommen in der Adventszeit stattfindet und gerne auch schon ein paar Tage vor dem Advent eröffnet. Der kleine Kalli freut sich besonders auf eine schöne heiße Schokolade. Doch bis dahin heißt es Ellenbogen ausfahren und möglichst vielen Menschen ausweichen. Was bei der Führerscheinprüfung Minuspunkte gibt, gehört am Weihnachtsmarkt zum guten Ton. Und so weist auch Kalli die Bummelanten zurecht. Nachdem die typischen Weihnachtsbuden mit Tupperware, Besenstilen und Reinigungswundermitteln passiert waren und sich schon weihnachtliche Stimmung breit machte, hielt der kleine Kalli kurz inne, um seine Ohren dem Kinderchor des städtischen Kindergartens (Neudeutsch Kita) für ein kleines Ständchen zu leihen. Es war der 26. November und in dieser Saison das erste Mal, dass Kalli Rolf von und zu Kowski mit seiner Weihnachtsschweinerei hören durfte. Und dann wurde es laut. Kalli näherte sich dem Rudolph-Dreieck, wie er die Komposition aus Glühwein- und Feuerzangenbowleständen liebevoll nannte. Die vielen Menschen mit ihren roten Nasen und ihrer ausgelassenen Weihnachtslaune ließen dem kleinen Kalli keine Chance auch nur einen Blick auf den Tresen werfen zu können. Nachdem Kalli eine Stunde lang versucht hatte, sich durch die Masse der Betrunkenen zu kämpfen und dabei zum 100ten Male das FC Bayern Stern des Südens Weihnachtsfußballied hörte, gab er enttäuscht auf und lief nach Hause, wo er mit Kinderpunsch aus dem örtlichen Discounter den Abend ausklingen ließ.

(11) Der kleine Kalli – und die große Welt

Wie gerne würde Kalli sie kennenlernen. Wie gerne würde Kalli mehr von ihr erfahren. Doch leider fehlt dem kleinen Kalli das nötige Kleingeld. Die weite Welt ist weit weg und greifbar nahe ist vorerst nur der Pauschalurlaub auf Mallorca, wo Kalli sich wieder für 20 € einen ganzen Abend mit Bier und Sangria volllaufen lassen kann, inklusive „Spruch“-Shirt. Doch die spanische Kultur ist so gar nicht Kallis Fall. Viel lieber würde er die Pyramiden erkunden oder aber den Mississippi entlangfahren. Fernweh, hat es Kallis Oma genannt, die es mit dem Bund deutscher Mädchen einmal bis nach Flensburg geschafft hatte und so die große Welt erfahren durfte. Überhaupt klang es wie Hohn, wenn sie immer wieder von der großen Welt – sprich Flensburg – berichtete. Doch was war mit Kalli!? Er hatte gerade mal Griechenland, Spanien, Frankreich, Kroatien, Italien, Ungarn, Österreich und die Türkei gesehen. Und in Marokko war er auch mal kurz. Aber was war das schon. Die meisten seiner Freunde lebten inzwischen in Amerika, Brasilien oder Korea. Gut, bei den meisten ist das Wort „lebten“ etwas überzogen, aber zumindest die Australienentdecker unter ihnen, durften Weihnachten bei 35 Grad im Schatten feiern. „Die Welt ist ganz schön groß und ungerecht“, dachte sich Kalli und legte den Kreuzfahrtreisekatalog auf den Küchentisch. Er zog eine Papaya aus dem Obstnetz und betrachtete sie genau. Auch die Früchte auf meinem Teller haben mehr von der Welt gesehen als ich. Selbst die Banane zum Nachtisch hat eine schlechtere CO2 Bilanz als sein gesamtes bisheriges Leben. Und dann wurde Kalli nachdenklich, rief seine Großmutter an und fuhr mit ihr spontan nach Flensburg – die große Welt entdecken.

(10) Der kleine Kalli – bewirbt sich

Die Stellenbeschreibung auf der Facebook-Seite „Job gesucht – egal wo“ klang vielversprechend: „Suchen zur Verstarkung unser jungen Team Menschen mit viel Mut, Kraft für einfache Aufgabe. Leichtes Geld geboten. Bis zu 10.000 € in Monat. Fair Lohn und freundlich Kollega. Sie interessiert seien? Melden einfach und schreibe Daten an …“. Klein Kalli schrieb also Daten an die angegebene Adresse und bekam nur Kurze Zeit später jede Menge Werbepost und Arbeitsangebote. Neben einigen kuriosen Stellen als Lockvogel für Partnerbörsen, Handyvertragsvertreter am Hauptbahnhof und Fahrradkurrier, weckte ein Job als „Marketing Consulter“ in der Automobilindustrie sein Interesse. Er rief die angegebene Telefonnummer an und wurde von einem freundlichen Mann mit rumänischen Akzent gebeten, doch gleich morgen im angrenzenden Industriegebiet bei der Firma „Car Export – Inport – An – und Ver – Kauf Rahi Kahn GmbH & Co. KG“ vorbeizuschauen. Der kleine Kalli war fest entschlossen das Marketing dieses – wohl – Familienunternehmens zu revolutionieren. Den Anfang würde er bei dem Firmennamen machen. Doch nach einem kurzen Vorstellungsgespräch in einem kleinen Wohnwagen, der auf einem geschotterten und eingezäunten Firmengelände stand, drückte der Senior Chef Rahi Kahn ihm einen Stapel visitenkartengroßer einlaminierter Werbekärtchen in die Hand. Dazu gab es noch einen Stadtplan, auf dem Straßenzüge rot markiert waren, und die Worte: „An jede Karre, alter! An jede!“ So ausgerüstet klemmte der kleine Kalli zwölf Stunden lang Werbekarten hinter Scheibenwischer, Türgriffe und Dichtungsgummies. Und der Verdienst von 24 Euro war ihm somit sicher. Das letzte Kärtchen aber nahm Kalli mit nach Hause. Dort angekommen betrachtete er die Karte und musste schmunzeln. „Wir kaufen Ihr Auto – Zustand egal – 2.500 € sicher“, stand darauf und Kalli wurde klar, dass wenn er mit dem Auto zum Vorstellungsgespräch gefahren wäre, er deutlich mehr verdient hätte.

(9) Der kleine Kalli – auf Kaffeefahrt

„Holen Sie sich Ihren Gewinn in Höhe von 10.000 € (steuerfrei) ab!“ – Das war es, was der kleine Kalli gebrauchen konnte, eine satte Finanzspritze. Der Hochglanzflyer wies Ihn ganz eindeutig als glücklichen Gewinner aus. Aber das Glück schien im gesamten Mietshaus zugeschlagen zu haben, wie Kalli anhand der Briefkästen erahnen konnte. „Warum eigentlich nicht?“, dachte sich klein Kalli, der sonst nur Städtetouren mit Weihnachtsmarktbesuchen kombinierte. So meldete er sich, wie sich herausstellen sollte, zusammen mit gut 40 Herrschaften fortgeschrittenen Alters zur Gewinnausschüttung mit anschließender Verkaufsveranstaltung an. Die kostenlose Busfahrt war gut organisiert und führte in entlegene Ecken Deutschlands, in die man sonst gar nicht kommt, weil sie auf keiner Landkarte eingezeichnet sind. Nach dreistündiger Busfahrt über Stock und Stein und ohne Rast, unterbrach das in der Reihe hinter Kalli sitzende Rentnerpaar das Gespräch über Krankheitsbilder und Verwandtschaftsverhältnisse abrupt mit den Worten: „So Herbert, ist noch was? Sonst spare ich jetzt Batterien!“. Die Dame hatte wohl realisiert, dass wenn Sie die Preise von Heizdecken und Kuchenmaschinen noch hören will, sie das Hörgerät besser vorrübergehend ausschaltet. Und auch für die Rückfahrt sollte es wohl noch reichen. In einer menschenleeren Gegend wurde die Gruppe in einen Saal geschleust. Es folgte die Gewinnausschüttung. Jeder der Anwesenden erhielt 10.000 € als Spielgeldschein und konnte diesen beim Kauf einer Heizdecke für 1.000 € in einen Rabatt in Höhe von 10 € eintauschen. Zudem gab es, um dem Namen der Veranstaltung gerecht zu werden, kostenlos Kaffee und Kuchen. Kaufzwang bestand nicht, wurde aber von dem leicht aggressiven Veranstalter empfohlen, sofern man auch die Heimreise im Bus und nicht im Taxi antreten wollte. „Was will man mehr?“, dachte sich Kalli und schlug zu. Der Veranstalter ging zu Boden und Kalli war gespannt, wie lange der Krankenwagen wohl benötigen würde.

(8) Der kleine Kalli – macht Urlaub auf dem Bauernhof

Ländliche Idylle, duftende Felder, grüne Wiesen mit glücklichen Kühen, romantische Kornfelder und der Hahnenschrei als lebendiger all morgendlicher Wecker, so sollte der viertägige Wochenendurlaub auf dem Junkesheimer Biohof werden. Ein Traum von bäuerlichem Leben und frischer Landluft. Nach nur zehnstündiger Anreise mit dem SUV – weil mit öffentlichem Najverkehr nicht erreichbar – stand klein Kalli glücklich und erstaunt vor dem Hoftor mit der Aufschrift: „Beauty & Wellness Bio-Fair-Activ-Hof Junkesheimer natura Resort and Spa“. Die Zimmer im Gästehaus waren modern ausgestattet und sehr geräumig. Luxus pur, wo das Auge hinschaute, bot das 50 Zimmer fassende Haus alle Annehmlichkeiten eines Ritz Hotels. Der ehemalige Kuhstall war in eine Event- und Konzerthalle umgebaut worden und bot Platz für öffentliche Großverantsaltungen. Der Saunabereich war im alten Schweinestall zu finden, der laut Prospekt komplett abgerissen und von Grund auf neu aufgebaut wurde. Der kleine Kalli hatte zudem die Möglichkeit sich von geschulten Therapeuten massieren zu lassen oder im Fitnessraum selbst Hand an Gewichte und Geräte anzulegen. Die Familie Junkersheim lebte, wie Kalli erfuhr inzwischen in München und hat ihr ehemaliges Wohnhaus in eine Showküche umbauen lassen, wo man nunmehr mit Sterneköchen auf „kulinarische Weltreise“ gehen kann – Kochkurse natürlich gegen Aufpreis erhältlich. Nach vier Tagen Landleben packte Kalli den hauseigenen Bademantel in seinen Koffer und blickte wehmütig auf die schöne Zeit am Land zurück. „So ein Landleben ist wirklich was feines. Hier ist eben alles noch natürlich familiär und behütet. Gerade in der heutigen Zeit wissen die wenigsten Menschen das einfache Leben am Land zu schätzen – das ist ein Fehler!“ Schreibt Kalli in das Gästebuch und gibt dem Pagen ein angemessenes Trinkgeld.

(7) Der kleine Kalli – und die Wegwerfgesellschaft

Und dann war da noch die Sache mit Frau Schneider von der gegenüberliegenden Straßenseite. Eigentlich war man gut beraten, wenn man mit Frau Schneider nichts zu tun hatte. Doch Kalli, der ohnehin stets offen war für die Belange seiner Mitmenschen, konnte nicht anders. Frau Schneider war Fachverkäuferin für Bürowaren aller Art und arbeitete – und das war das Schlimme – nur halbe Tage. Die andere Hälfte ihrer Lebenszeit wendete sie darauf auf, die Straßenbewohner Recht und Ordnung zu lehren. Und Frau Schneider verstand ihr Handwerk sehr gut. Sieben abgeschleppte notorische Falschparker, fünf Ermahnungen wegen Ruhestörung zur Mittagszeit, drei Radfahrer, die illegaler Weise den Gehweg nutzten, und ein Nachbar, der lediglich vorgab krank zu seien, so Frau Schneiders Bilanz allein in dieser Woche. Und das obwohl der Dienstag gerade erst begonnen hatte. Kallis Hausbewohner nannten Frau Schneider liebevoll „Der Drache von drüben“, womit sie nicht zuletzt auf ihre geografische Herkunft anspielten. So war es also der kleine Kalli, der an diesem Dienstag beschlossen hatte, Frau Schneider einen Gefallen zu tun und die bereits entleerte Mülltonne zurück in deren Hofeinfahrt stellte. Das Donnerwetter ließ erwartungsgemäß nicht lange auf sich warten. „Was glauben Sie eigentlich, wie oft ich schon bei der Müllabfuhr angerufen habe? Schieben Sie die [zeigt auf die Tonne] sofort wieder an die Straße! Da müssen die Müllmänner nochmal kommen.“ Kalli folgte wortlos der Anweisung und schob die leere Tonne zurück an die Straße. Vom Fenster seiner Wohnung aus sah Kalli am nächsten Morgen den stummen Zeugen des Spießbürgertums noch immer mahnend am Straßenrand stehen. Und Kalli tat, was das Duale System von ihm forderte. Er klingelte bei all seinen Hausparteien und fragte, ob er ihren Müll mit hinunter nehmen könne. Das Angebot kam so gut an, dass Frau Schneiders Wertstoffbehälter bis unter den Deckel voll wurde. „Die ganze Sache stinkt zum Himmel“ dachte sich klein Kalli und ging verschmitzt grinsend seiner Wege.

(6) Der kleine Kalli – in der Servicewüste

Das hatte er sich deutlich einfacher vorgestellt, der kleine Kalli. Hieß es in der Werbung noch „Einfache Einrichtung. Auspacken, Anschließen, Loslegen!“, entpuppte sich die Installation der neuen Internetbox als wahre Herausforderung. Und es bestand erst recht keine Hoffnung auf schnelle Hilfe. Die kostenlose Service-Hotline ist natürlich nur aus dem Telefonnetz des Anbieters kostenlos, aber gerade dieses versucht Kalli ja krampfhaft zum Laufen zu bringen. Es hilft alles nichts, klein Kalli muss den abweichenden Mobilfunkpreis von max. 1,99€/Min in Kauf nehmen, was soviel bdeutet wie ganz sicher 1,99€/Min, und die Mitarbeite der Hotline um Rat fragen. Wenigstens ist die Wartemelodie aufregend und abwechslungsreich, sprich sie umfasst zwei Lieder und drei verschiedene Werbetexte. Doch auch nach drei Anrufversuchen und über einer Stunde Wartemusik, sitzt Kalli auf dem Boden der Tatsachen – aber vor allem vor der Telefondose in der kalten Diele. „Servicewüste Deutschland“ möchte Kalli laut und wütend ausrufen, doch dann fällt ihm ein, dass der Begriff „Service“ gar nicht deutsch ist – „Warteschlange“ hingegen schon. Verbittert und enttäuscht macht sich Kalli auf den Weg zu seinen Nachbarn, in der Hoffnung ein W-Lan-Internet-Asyl zu bekommen. Bei den Netzwerken „Geh‘ doch ZUHAUSE“, „Elvis lebt“ oder „FischersFritzBox“ müsste doch eine temporäre Mitbenutzung möglich sein. Und tatsächlich, Frau Schmelz von gegenüber hat Erbarmen und gibt dem kleinen Kalli das Passwort „1schmelzen“ für das W-Lan-Netz „FritzBox 7071-013876“. „Wer hätte das gedacht, da schaufeln sich die Internetanbieter ihr Grab selbst“, denkt es sich Kalli und setzt einen Tweet ab: „DDR 2.0 – #Internetkommunismus im Selbsttest!“

(5) Der kleine Kalli – reine Vorsorgemaßnahme

Hätte er nicht durch Zufall das Faltblatt in der Tageszeitung gesehen, wäre Kalli wahrscheinlich niemals auf die Idee gekommen zum Arzt zu gehen. Doch glücklicherweise war ja „noch nichts zu spät“, wie es in der Infobroschüre hieß. Ein bisschen mulmig war Kalli ja schon. Ab dem zwanzigsten Lebensjahr sollte man jährlich die gynäkologische Untersuchung durchführen lassen, dabei ist er schon über dreißig und die Premiere rangierte unter „besser spät als nie“. Und da saß er nun. Im unklimatisierten Wartezimemr zusammengefercht mit acht Frauen. Männer schienen das Problem – wie so häufig in Gesundheitsfragen – nicht so ernst zu nehmen. Während er im Wartezimmer sitzt und genüsslich die Brigitte anschaute, wie diese in der „Glamour“ laß, betrat eine Frau die Praxis und posaunten lauthals etwas von „Pille vergessen“ und „ich glaub, ich bin schon wieder schwanger“. Begleitet von ihrem knapp zwei Jahre alten Kind und einer knapp begleiteten Freundin, stand die offensichtlich einem sozialen Brennpunkt entstammende korpulente Frau mit Leopardenmusterhose verzweifelt dort. Kalli, der den Parkplatz der Praxis einsehen konnte, war schon lange beim schnellen und schiefen Einparken klar, das es ein Notfall sein musste. Und was war die Reaktion der offensichtlich überforderten Arzthelferin? Sie verwies die drei (oder vier) ins Wartezimmer. Zu Recht war die Patientin sauer und meinte, auch mit Blick auf das vollbesetzte und unklimatisierte Wartezimmer, dass sie draußen im Auto warten werde und jetzt eh erstmal eine Zigarette bräuchte. Dem kleinen Kalli erging es aber auch nicht besser. Als er endlich ins Behandlungszimmer gerufen wurde, bekam er „100 prozentig sichere“ Pillen für Männer, nach deren Verwendung bisher noch kein Mann schwanger wurde, und eine Überweisung zum Urologen. „Na wnigstens erwartet mich dort die Sportbild“ dachte sich klein Kalli und schwor sich, zukünftig nicht mehr so viel auf Zeitungsbeilagen zu geben.

(4) Der kleine Kalli – und Tante Herta

Es klingelt an der Wohnungstür. Kalli zuckt zusammen und schaut sich nochmals vergewissernd, ob auch wirklich alles ordnungsgemäß an seinem vorgesehenen Platz ist, in seinen vier Wänden um. Langsam und respektvoll nähert sich klein Kalli der Tür. Wohlwissend was ihn dahinter erwartet: Tante Herta. Monate zuvor hatte sich die kleine untersetzte und geschwätzige Person angekündigt. Unzählige Telefonate später, war es nun soweit. Der obligatorische jährliche Besuch stand an. Kalli, der in seinem Freundeskreis nur von der „jährlichen Inventur“ sprach, hatte sich für diesen Moment diesmal bestens vorbereitet. Die Wohnung war bestmöglich aufgeräumt und alles andere hatte er in den abschließbaren Wandschrank gepresst. Raumduftspray überdeckte den Zigarettengeruch und ein Bild von Kallis Arbeitskollegin, die sich netterweise für ein Pärchenfotoshooting zur Verfügung gestellt hatte, stand schön gerahmt und gut sichtbar auf dem Wohnzimmerschrank. Die Kaffeemaschine freute sich in der Küche über ihren alljährlichen Einsatz und der Fernseher war bereits zur Aufzeichnung des Fußballländerspiels programmiert. Bevor klein Kalli die Türklinke zum Öffnen nach unten drückte, holte er noch einmal tief Luft und wischte die schwitzige Hand an der Hose ab. Dann öffnete er die Tür. Ein junger Mann stand vor ihm und hielt Kalli ein Blech Streuselkuchen unter die Nase. „Ihre Bestellung, ich bräuchte dann da unten noch eine Unterschrift“ Kalli war erleichtert, wusste aber auch, dass damit das Warten auf die jährliche Inventur lediglich noch etwas andauerte.