Und dann war da noch die Sache mit Frau Schneider von der gegenüberliegenden Straßenseite. Eigentlich war man gut beraten, wenn man mit Frau Schneider nichts zu tun hatte. Doch Kalli, der ohnehin stets offen war für die Belange seiner Mitmenschen, konnte nicht anders. Frau Schneider war Fachverkäuferin für Bürowaren aller Art und arbeitete – und das war das Schlimme – nur halbe Tage. Die andere Hälfte ihrer Lebenszeit wendete sie darauf auf, die Straßenbewohner Recht und Ordnung zu lehren. Und Frau Schneider verstand ihr Handwerk sehr gut. Sieben abgeschleppte notorische Falschparker, fünf Ermahnungen wegen Ruhestörung zur Mittagszeit, drei Radfahrer, die illegaler Weise den Gehweg nutzten, und ein Nachbar, der lediglich vorgab krank zu seien, so Frau Schneiders Bilanz allein in dieser Woche. Und das obwohl der Dienstag gerade erst begonnen hatte. Kallis Hausbewohner nannten Frau Schneider liebevoll “Der Drache von drüben”, womit sie nicht zuletzt auf ihre geografische Herkunft anspielten. So war es also der kleine Kalli, der an diesem Dienstag beschlossen hatte, Frau Schneider einen Gefallen zu tun und die bereits entleerte Mülltonne zurück in deren Hofeinfahrt stellte. Das Donnerwetter ließ erwartungsgemäß nicht lange auf sich warten. “Was glauben Sie eigentlich, wie oft ich schon bei der Müllabfuhr angerufen habe? Schieben Sie die [zeigt auf die Tonne] sofort wieder an die Straße! Da müssen die Müllmänner nochmal kommen.” Kalli folgte wortlos der Anweisung und schob die leere Tonne zurück an die Straße. Vom Fenster seiner Wohnung aus sah Kalli am nächsten Morgen den stummen Zeugen des Spießbürgertums noch immer mahnend am Straßenrand stehen. Und Kalli tat, was das Duale System von ihm forderte. Er klingelte bei all seinen Hausparteien und fragte, ob er ihren Müll mit hinunter nehmen könne. Das Angebot kam so gut an, dass Frau Schneiders Wertstoffbehälter bis unter den Deckel voll wurde. “Die ganze Sache stinkt zum Himmel” dachte sich klein Kalli und ging verschmitzt grinsend seiner Wege.