Es ist Samstag Abend kurz vor 22.00 Uhr und die Mitarbeiter des Kauflandes Ober-Hintertupfingen räumen bereits die Angebote, die sie am Morgen lieblos auf Europaletten vor der Eingangstür platziert hatten, ein. Kalli, der die letzten Erledigungen für Sonntag machen muss (Fertigpizza und 20 Dosen Red Bull), sucht verzweifelt einen freien EKW (Einkaufswagen). Weil er, wie alle anderen Kauflandkunden, nicht bereit ist, einen etwas weiter entfernten EKW-Spender zu benutzen, verharrt Kalli mit einem Einkaufschip, den er immer am Schlüsselbund trägt, um im Falle eines Falles nicht einen Euro parat halten zu müssen, mehrere ärgerliche Minuten vor dem leeren EKW-Parkplatz neben der Eingangstür.
Drinnen im Supermarkt findet sich der kleine Kalli schnell zurecht. Den Weg zur Tiefkühltruhe kennt er im Schlaf und auch der Griff ins Red Bull Regal ist pure Routine. Im Kassenbereich angekommen, sucht sich Kalli die kürzeste Schlange, mit einer vorgelagerten Kasse und fertig ausgebildeter Kassiererin sowie möglichst wenigen Rentnern aus. Mangels Schnellkasse dauert es dennoch bis 22.00 Uhr bis Kalli seine Artikel auf das Förderband legen kann. Mit dem Toplerone-Warentrenner grenzt Kalli seinen Einkauf von dem Salatdressing und Gemüseberg der Kundin vor ihm ab. Doch auch an der perfekten Kasse passieren Dinge, die man als kundiger Kunde, wie Kalli einer ist, nicht vorhersehen kann. Und so lässt der Stornoruf nach einem Manager an Kasse drei nicht lange auf sich warten. Nachdem ein Manager-Kollege das Einräumen der Regale unterbrochen hat, um die Kasse mit der Eingabe des Codes „1234“ zu entsperren, kann es weitergehen. Kann. Denn da wäre noch die etwas ältere Dame, die versucht, ihren Maracuja-Joghurt passend zu bezahlen. Nach mehreren Minuten schüttet die Frau den gesamten Portmonaieinhalt auf den Kassenbereich, der mit dem sinnigen Hinweis „hier keine EC-Karten ablegen“ gekennzeichnet ist mit den Worten „ach, schauen Sie mal selbst“. Letztlich passt es doch nicht und sie muss mit einem 500 Euroschein bezahlen. Als klein Kalli endlich an der Reihe ist, lässt er es sich nicht nehmen, seinen Betrag mit Karte zu bezahlen, um die Nachfrage der Kassiererin „4 Cent klein vielleicht?“ zu vermeiden. „Ihre Geheimzahl und mit Grün bitte bestätigen“, leiert es nur monoton.
Kalli schnappt sich seinen Einkauf, eilt noch schnell zum Bäcker im Eingangsbereich und bestellt, obwohl er fünf Brötchen möchte, geschickter Weise nur vier. Denn Kalli weiß, „eins mehr ist heute im Angebot“. Den Einkauf im Auto verstaut, parkt Kalli noch schnell den EKW im EKW-Spender ganz am anderen Ende des Kauflandparkplatzes und denkt sich: „das nächste Mal gehe ich sonntags zur Tanke!“
Bei diesen Temperaturen war Kalli richtig froh, eine kühle Dusche zu nehmen. Wenn schon kein Schwimmbadbesuch und Regen von oben, so ließ er sich von dem Grohe „Tropical-Rainfall-Power-Massage-Shower“ Duschkopf, den er tags zuvor im Baumarkt für einen Monatslohn erstanden hatte, mit dem kalkigen und chlordurchsetzten Leitungswasser der örtlichen Stadtwerke berieseln. Normalerweise trällerte klein Kalli dabei seine Lieblingsmärsche (Hoch Heidecksburger und Florentiner Marsch) und dirigierte dazu vergnügt mit dem Wasserabzieher. Normalerweise. Heute jedoch lauschte er dem Mobilteil seines Gigaset-Telefons, welches, obwohl von Siemens, auf dem an die Dusche angrenzenden Fensterbrett stand, da es -laut Gebrauchsanleitung- lediglich spritzwassergeschützt ist und keinesfalls dem Wasserschwall eines Grohe „Tropical-Rainfall-Power-Massage-Shower“ Duschkopfs hätte standhalten können. Das Mobilteil aber schwieg. Eigentlich wollte die Dame von der Stadt, die er, kurz bevor er sich in das Duschvergnügen stürzte, wegen Bauarbeiten vor seinem Haus angerufen hatte, Kalli in Kürze zurückrufen. Aus Kurz wurde Lang und Kalli beschloss, sich zumindest schon einmal einzuseifen. Als er, nachdem er von Kopf bis Fuß seinen Körper in Lauge wusste, wieder das Wasser anstellen wollte, um den Tropical Rainfall zu genießen, schwieg der Wasserhahn. Und wie abgesprochen klingelte das Mobilteil des Telefons und verlangte danach, mit eingeseiften Händen von der Fensterbank gegriffen zu werden. Obwohl Kalli nicht ganz klar war, ob Seifenlauge auf der Höhrertaste nun schlimmer ist als Spritzwasser, entschied er sich das Gespräch entgegenzunehmen. Am Ende der Leitung ertönte eine krächzende Stimme und schrie in seine frisch eingeschäumte Ohrmuschel: „Ich muss Ihnen mitteilen, dass wir im Rahmen der Bauarbeiten vor Ihrem Haus das Wasser für die nächsten Stunden abstellen mussten. Ich bitte Sie, Ihre Gewohnheiten bezüglich Duschen und Toilettengang etc. daran anzupassen. Danke!“ Kalli bedankte sich höflich für den netten Hinweis, zog seine Badehose an und machte sich auf den Weg zum städtischen Schwimmbad.
Und dann hatte der kleine Kalli wirklich alle Hände voll zu tun; Das Eis lief die Waffel runter und Kalli kam kaum mit dem Schlecken nach. Zu allem Überfluss musste er die schwere Einkaufstasche in den 25. Stock des Wohnhauses schleppen. Der Aufzug funktionierte mal wieder nicht und selbst wenn er irgendwann wieder funktionieren sollte, so ist das verschmierte Schokomilcheis auf der Aufzugruftaste sicher längst getrocknet. Und wenn nicht, gibt es noch Frau Müller aus der Drei, die jeden Sonntag Vormittag das Treppenhaus putzt. Im 25. Stockwerk mit waschmaschinenreifem T-Shirt vor der Wohnungstür angekommen, kramt Kalli den Schlüssel aus seiner Hosentasche hervor. „Prima“, denkt sich Kalli, „eine Hand ist schon von der Klebemasse befreit“. Und wie er noch in Gedanken ist, dreht klein Kalli den Schlüssel im Schloss. Die Eistüte macht die Bewegung automatisch mit und die Eiskugel verneigt sich respektvoll vor der Wohnung. Die Erdanziehungskraft erledigt den Rest. Kalli bringt den Einkauf in die Küche und entnimmt dem Besteckkasten einen sauberen Teelöffel. Genüsslich schlendert Kalli zur Wohnungstür und ist in Gedanken schon wieder bei Frau Müller, die jeden Sonntag das Treppenhaus so gründlich putzt.