Der kleine Kalli

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(39) Der kleine Kalli – lässt es krachen

Mietshäuser sind ein Kleinod an Pedanterie und Chaos. Der kleine Kalli zählt weder zu den besonders ruhigen noch zu den besonders lauten Nachbarn. Aber der kleine Kalli liebt es, Freunde einzuladen und gemeinsam unterhaltsame Abende zu bestreiten. Und diese Abende können dann auch schon in hitzigen Wortgefechten und eifrigen Diskussionen enden. Eigentlich ist auch der Rentner Erwin Huber von unten ein eher ruhiger, wenn auch korrekter Zeitgenosse. So legt er großen Wert auf die Mülltrennung und weiß die Mittagsruhe durchzusetzen. Eines Abends jedoch, der kleine Kalli sitzt mit seinen Freunden in geselliger Runde, da wird die Geräuschkulisse der Gespräche durch das Klingeln an der Wohnungstür durchbrochen. Kalli öffnet die Tür und sieht sich zwei Polizisten gegenüber, die ihn freundlich darauf hinweisen, dass die Lautstärke in den Abendstunden und der Anruf von Herrn Huber der Anlass ihres Erscheinens seien. Kleinlaut gelobte Kalli Besserung und versprach, dass dies nicht nochmal vorkommen werde. Als der kleine Kalli zu seinen Freunden zurückkehrte, war die Stimmung futsch. Der Abend war zwar gelaufen, doch was Kalli noch größere Sorgen bereitete, war seine geplante Geburtstagsfeier in zwei Monaten, bei der die Polizei nicht auf der Gästeliste stand. Daher fasste Kalli einen Plan. An den folgenden Wochenenden rief der kleine Kalli jeden Abend bei der Polizei an, gab sich als Erwin Huber aus und beschwerte sich über den unverschämt lauten Kalli von oben. Die Beamten rückten an; der kleine Kalli öffnete die Tür; die Polizisten schauten sich verdutzt an und rückten, beeindruckt von der meditativen Stille in Kallis Wohnung wieder ab. Nachdem die Beamten ob der Fehlalarmierungen nach mehreren Besuchen bereits sichtlich genervt waren, erlaubte sich Kalli noch den Hinweis, dass bestimmt der Herr Huber sein Hörgerät wieder falsch eingestellt hat. Danach waren die Ordnungshüter nie wieder gesehen.

(38) Der kleine Kalli – wird Organspender

Bis vor kurzem dachte der kleine Kalli noch, das Wort „Organspender“ sei ein Synonym für waghalsige Motorradfahrer. Bei Autofahrten sagte sein Vater immer „Schau mal Kalli, schon wieder ein Organspender!“, wenn ein Biker im rasanten Tempo an der Familienkutsche vorbeisauste. Es brauchte etliche Jahre und einen Kinobesuch, damit ausgerechnet Ralf Schmitz ihn auf dieses ernste Thema aufmerksam machte. Eigentlich, so kam es Kalli in den Sinn, sollte doch jeder Bürger zum 18. Geburtstag einen Organspendeausweis geschenkt bekommen. Dann können sich die jungen Erwachsenen das erste Mal in ihrem Leben einer wichtigen Entscheidung stellen. Der kleine Kalli musste bei dem Wort „Entscheidung“ unweigerlich an seine Schulkameradin Sabine denken. Sabine war klug, schön und unglaublich unentschlossen. Sie kreuzte stets das „Vielleicht“ auf den Willst-Du-mit-mir-gehen-?-Zetteln an und war schon am Schulkiosk hoffnungslos überfordert sich zwischen Vanille- und Schokotrinkpäckchen zu entscheiden. Kurze Zeit nach dem Kinobesuch bestellte Kalli für sich und seine Familie Organspendeausweise, um diese gemeinsam auszufüllen. Doch das Unterfangen gestaltete sich äußerst schwierig. Während die einen sich sicher waren, dass der Notarzt beim Anblick des Organspendeausweises alle Rettungsversuche unterlassen würde, war für die anderen klar, dass der Spruch „Ein Herz für Kinder“ wörtlich zu nehmen sei. Bei all dem Für und Wider fühlte sich Kalli plötzlich vollkommen überfordert und sah sich dieser tiefgreifenden Entscheidung nun so gar nicht mehr gewachsen. Und so kam es, dass Kalli sich dazu entschloss, auf dem Ausweis bei „Über JA oder NEIN soll folgende Person entscheiden“ Sabine einzutragen. Ralf Schmitz hatte eben doch Recht, man muss der Sache nur mit Humor begegnen.

(37) Der kleine Kalli – auf der Datenautobahn

Es gab Zeiten, da surfte man über die Telefonleitung im Internet. Heute telefoniert man über die Internetleitung. Dabei hat sich an der eigentlichen Verkabelung gar nichts geändert. Es gab Zeiten, in denen das Telefonkabel von der Post verlegt wurde. Heute braucht es nicht einmal mehr Kabel. Der kleine Kalli gehört noch zu den Jungs, die in Zeiten aufgewachsen sind, in denen echte Kerle in den Pausen Diddl-Blätter tauschten und man der Liebsten noch JA-NEIN-VIELLEICHT-Zettel zusteckte. Und letzteres tat nicht nur der kleine Kalli im vollen Bewusstsein darüber, dass die Felder JA und NEIN nur pro forma auf dem Zettel aufgetragen wurden. Was auch immer es ist, dass Kinder heutzutage mehr Spaß an bunten Apps und Mobilgeräten haben, die zwar in Sachen Musikauswahl einen Walkman um Welten schlagen, bei der Akkulaufzeit jedoch erblassen, die Kinder lieben die stromgesteuerte digitale Welt. Wo früher Arm und Reich an Geld gemessen wurde, ist der gesellschaftliche Graben heute in Form der Internetgeschwindigkeit zu verzeichnen. Wer auf dem Land lebt und keinen Zugang zur digitalen Welt hat, der muss auch weiterhin Diddl-Blätter tauschen und Zettel schreiben, statt Instagram zu füttern oder WhatsApp zu füllen. Der kleine Kalli musste sich erst zurechtfinden auf den Datenautobahnen. Da hilft ihm auch sein neues Auto mit all den technischen Assistenten wenig. Immerhin will seit neustem auch dieses einst einfache Gerät der Mobilität sich upgedatet wissen. Und dann sitzt der kleine Kalli in seinem Hightech-PS-Boliden und fragt sich, ob die wirklich sinnvoll ist, dem Fortschritt hinterher zu rennen, oder ob nicht doch das Leben als Selbstversorger mit drei Kühen, zwei Schweinen, ein paar Hühnern und einem Acker mit Kartoffeln nicht viel einfacher und erfüllender ist. Und wie er so in Gedanken bei anstrengender körperlicher Feldarbeit ist, lässt sich der Kalli von seinen Massagesitzen so richtig schön verwöhnen.

(36) Der kleine Kalli – hat Leselust

Die Temperaturen steigen und in der Innenstadt wird es unerträglich heiß. Wie gut, dass es wenigstens ein paar Läden gibt, die gegen den Klimawandel ankämpfen und im Eingangsbereich durch die weit geöffneten Türen kalte Luft aus der Klimaanlage blasen. Der kleine Kalli stellt sich oft vor, wie heiß es in der Fußgängerzone wohl wäre, wenn sie nicht dauerhaft von diesen Kaltluftgebläsemonstern gekühlt würde. Oft sucht der kleine Kalli auch Zuflucht in den Läden selbst. Sein Lieblingsladen ist eine goße Buchhandlung, die wohl noch am eigenen Geschäftsmodell arbeitet. Statt Bücher zu verkaufen, lungern die Kunden auf großen Sofainseln und lesen die Bücher leer. Einigen Kunden sieht Kalli direkt an, dass Sie seit längerem hier hausen. Teilweise in Decken eingepackt (auch wegen der kühlen Zugluft), teilweise mit eigener Snackbar versorgt, hängen sie lethargisch in den Sesseln. Die Verweildauer kann man an dem Stapel der bereits durchgearbeiteten Bücher ablesen. Doch mancher „Kunde“ verwundert selbst die kleine Leseratte Kalli; wie kann man bitte den Duden durchlesen. Immerhin ist der Herr, der dieses sprachliche Meisterwerk in den Händen hält, schon bis VERRÜCKT (Worttrennung: ver|rückt; Beispiele: verrückt werden; sich verrückt stellen; sich nicht verrückt machen lassen (umgangssprachlich)) gekommen. Dass die Buchhandlung ein gutes Drittel der Bücher nach der Marter dieser „Kunden“ nicht mehr verkaufen kann und an eben jene auch nicht mehr verkaufen muss (aus Gründen), scheint die Inhaber wenig zu stören. Besonders angenehm empfindet Kalli den Umstand, dass man sich bei dieser Art der Präsenzbibliothek nicht anmelden muss und noch dazu die Medien stets in ausreichender Anzahl vorhanden sind. Das Konzept sollte nach Kallis Meinung auch auf Filme zu übertragen werden. So könnte man beispielsweise kleine Kinosäle in der DVD-Abteilung einrichten.

(35) Der kleine Kalli – auf Kreuzfahrt

Von Kreuzzügen hatte der kleine Kalli schon gehört, aber das mit den Schiffen war ihm neu. „Die Kirche hat einfach überall ihre Finger drin“, dachte sich der kleine Kalli. Von Genua einmal rund um den Stiefel bis nach Venedig sollte die Fahrt auf den AIDA-Diskokutter gehen. Und dabei lockte schon das Prospekt mit allerlei Spiel und Spaß für Groß und Klein. Der richtige Golfabschlag mit hartgepressten Fischfuttergolfbällen war zwar für Erwachsene gedacht, aber das Prinzip ließe sich sicherlich auch auf die Minigolfanlage an Deck übertragen. Als die Reise losging, da wusste der kleine Kalli noch nicht, dass „Kabine“ ein anderes Wort für „Räuberhöhle“ ist. Von Tiersendungen wusste er, dass bei Transporten ein Mindestraum zur Verfügung stehen muss. Von diesen Regeln hatte die Kreuzfahrtgesellschaft wohl noch nichts gehört. Aber beeindruckend war der Dampfer trotzdem. So viel Essen und so lange Gänge waren für Kalli absolute Neuheiten. Die Zeit auf See ging schnell vorüber. Dank Kegelbahn, Zoo und Einkaufsmeile war der Urlaub auf dem Wasser ein Erlebnis. Die Landgänge fand der kleine Kalli besonders interessant. Hier musste jeder Passagier sich eine lustige, tellergroße Zahl auf seine Brust kleben, damit niemand verloren geht. Wobei das ohnehin schwierig gewesen wäre, da alle Touristen an den Tempelanlagen und Stränden von den Kreuzfahrtschiffen kamen und am Ende des Tages allesamt wieder in die bereitstehenden Busse verstaut wurden. Kurz vor Ende der Reise machte der kleine Kalli noch Bekanntschaft mit dem Bordpfarrer, der ihm den Segen für die Heimreise spendete. „Ein Kirchenschiff also…“, dachte sich Kalli und machte sich auf die Reise ins gelobte Heimatland.

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(34) Der kleine Kalli – und das Bauordnungsrecht

Eigentlich hätten der kleine Kalli und Willibald eine Baugenehmigung benötigt. Andererseits war das Bauwerk gar nicht fest mit dem Boden, sondern vielmehr mit dem Baum verbunden. Doch das überzeugte die Baubehörde nicht. Das Baumhaus der beiden glich einer Baumvilla und stand einem herklömmlichen Haus in nichts nach. Isolierfenster, Türen mit massiven Eisenbeschlägen, Dachziegel, Fußbodenheizung und Balkon; das Bauwerk ließ keine Wünsche offen. Selbst Spülmaschine und Wäschetrockner waren vorhanden. Zwar hatten sich die Kalli und Willi wirklich mühe gegeben, das Baumhaus mit natürlichen Baumaterialien und Spanplatten bestmöglich an die bauliche Umgebung im bis dahin unbebauten Außenbereich anzupassen, doch leider war der Mann von der unteren Baubehörde anderer Ansicht. So war der Toilettenabfluss zwar durch den darunter fließenden Bach gewährleistet, doch angeblich waren die Umweltstandards nicht eingehalten worden. Kalli verstand die Welt nicht mehr, das Baumhaus verfügte über Wärmedämmung, Isolierung und war weitgehend autark und sollte aus Naturschutzgründen weichen?! Das konnte nicht sein.  Der kleine Kalli und Willibald hatten ihren Zweitwohnsitz in den Wipfeln schon aufgegeben, als sich Biber an dem Bach ansiedelten und eindrucksvoll Kallis These stützten: Nicht fest mit dem Boden verbunden.

(33) Der kleine Kalli – hat sich verwählt

Sonntag ist Wahltag. Der kleine Kalli ist schon ganz aufgeregt. Zum ersten Mal in seinem Leben darf er wählen. Seine Mutter hat ihm zwei Hemden hingelegt und Kalli darf sich zwischen dem roten und dem gelbem Hemd entscheiden. Immerhin ist heute auch Gemeindewahl und Kalli darf mit seinem Vater ins Wahllokal. So viele Wahlen an einem Tag überfordern den kleinen Mann dann doch etwas. Mit gelbem Hemd geht es zur Stimmabgabe. Im Wahlraum 303 angekommen, werden Kalli und sein Vater von den Wahlhelfern freundlich begrüßt. Aus einer Wahlkabine ertönt die Aufforderung:“Sag mal einer Stopp!“ Ein anderer Mann stellt fest, dass heute einer der wenigen Tage im Jahr ist, an dem die Nachrichten die Bürger mit dem dämlichen Spruch „wenn Sonntag Wahl wäre“ verschonen. Kallis Vater erhält gegen Angabe seiner Anschrift, Wählernummer und Schuhgröße die Wahlunterlagen und zieht sich in eine der Kabinen zurück. Mit gespitztem Bleistift kreuzt er wild drauf los. Kalli ist begeistert von so vielen Kreuzen und fängt lauthals an zu singen. Sein Vater wirft ihm einen ernsten Blick zu und mahnt den kleinen Sänger sich zu benehmen. Und dann ist es passiert. Ein Kreuz zu viel. Kallis Vater ist außer sich. „Scheiße, jetzt habe ich mich verwählt!“ Ein Wahlhelfer entgegnet witzelnd: „Keine Sorge, das passiert den meisten, nur den wenigsten fällt es auch auf.“ Nur gut, dass die Kreuze nur mit Bleistift gesetzt waren, so konnte der Wahlfehler schnell mit dem im Wahlraum bereit liegenden Radiergummi behoben werden. Nach der Wahl geht es in die Wirtschaft. Kalli bekommt eine Portion Pommes spendiert und kleckert prompt sein gelbes Hemd mit Ketchup voll. Und sein Vater stellt grinsend fest: „Na Kalli, da hast du dich wohl auch verwählt.“

(32) Der kleine Kalli – als Heiliger

Es ist bereits Februar und der kleine Kalli geht mit mehreren Einkausfüten bewaffnet in Richtung Kirche. Früher wurde das Dreikönigsfest noch am 6. Januar gefeiert, inzwischen hat man die Sammelaktion auf einen Sonntag im Februar verschoben, da sich bis dahin die  Geldbeutel vom Weihnachtsgeschäft erholt haben und die meisten Rechnungen beglichen sind. In der Sakristei wird der kleine Kalli zusammen mit zahlreichen anderen Kindern in Könige verwandelt. Neuerdings gibt es auch Königinnen und die Kinder kommen nicht nur aus dem Abendland, sondern auch aus den Neuen Bundesländern. Wichtig ist Kalli vor allem, nicht den Kürzeren beim Schminkknobeln zu ziehen. Die Kinder sind danach entweder „angepisst“ oder ärgern sich „schwarz“. Kalli hat dieses Mal Glück und darf den Stern tragen. Da er nicht der schnellste ist, folgt der Stern dieses Jahr eben den Königen. Zu allem Überfluss gibt es an der ersten Haustür Texthänger. Und so stellen sich die anderen der älteren Dame mit Kasper, Mehlohr und Waldemar vor. Die Dame interessiert sich ohnehin mehr für die Familienzugehörigkeit der Kinder und entlohnt die Auskünfte durch das Befüllen der mitgeführten Spardose. Bei der Verabschiedung fällt dem kleinen Kalli auf, dass das Schlitzohr Mehlohr als waschechter Bayernfan „B+M+W“ über die Türe geschrieben hat. Und so steht für Kalli fest: Nächstes Jahr lass ich mich freiwillig anmalen, um unerkannt zu bleiben.

(31) Der kleine Kalli – bekommt keine Extrawurst

Seit der kleine Kalli erfahren hat, dass dem Käufer per Gesetz ein Widerrufsrecht nur bei Fernabsatzverträgen zusteht, wenn dieser Verbraucher ist, gibt der kleine Kalli sein gesamtes Taschengeld (4 € im Monat) nur noch online aus. Dabei übersteigen die Versandkosten leider das Taschengeldbudget so sehr, dass Kalli sich für 2 € im Monat für Amazon Prime anmelden musste. Immerhin kommen Lutscher und Sammelkarten nun oftmals schon am nächsten Tag bei ihm Zuhause an. Und sollte es doch einmal Probleme geben, hilft der Kundendienst. Neuerdings kommt das Kaugummi, welches Kallis Freunde umständlich am Kiosk nebenan kaufen, im praktischen und günstigen Sparabo zu ihm. Kallis Eltern waren begeistert, dass Kalli nun viel mehr Überblick über seine Finanzen hat, die er mit der Taschengeldapp verwaltet und haben auch sofort eingesehen, dass das teuere Tablet eine notwendige Voraussetzung ist, um am digitalen Einkaufserlebnis überhaupt teilnehmen zu können. Nur eine Sache stört den kleinen Kalli am Einkauf 2.0 gewaltig: Es gibt keine Extrawurst. Ein Problem, dass vegetarische Kinder sicher kalt lässt, doch Kalli vermisst sie, die zusätzliche Scheibe Gesichtswurst.

(30) Der kleine Kalli – im world wide web

Es war schon da als Kalli geboren wurde. Er ist mit ihm aufgewachsen wie mit Autos, Strom und Licht. Das world wide web umgibt den kleinen Kalli in allen Lebenslagen. Wo Kallis Eltern früher den Wecker neben dem Bett stehen hatten, liegt heute das Smartphone und übernimmt nicht nur das Wecken sondern zeichnet Kallis Schlafphasen auf – ein nützliches Gimmick, so nennt der kleine Kalli unnütze Dinge. Dabei gab es auch lange vor der Entdeckung des Internets lustige Gimmicks. Zumeist aus Plastik hergestellt, bereicherten diese Dreingaben Yps-Hefte und Kornflakepackungen. Aber vorbei sind die Zeiten als AOL uns mit CDs überhäufte. Unter dem Wandel des digitalen Neulands leidet, so vermuten es zumindest Kallis Eltern, insbesondere Kallis Sprache. So sollen Programme (neudeutsch Apps) wie WhatsApp – trotz Autokorrektur des Smartphones – die Rechtschreibung blockieren. Und nicht zuletzt der Einfluss der sozialen Netzwerke wirkt sich auf Kallis Sprechweise aus. So läuft der Erzählkreis in Kallis Kindergarten schon nach dem Muster „mein Wochenende verlief eigentlich ruhig, doch was dann geschah, war unglaublich…“ ab. Als der kleine Kalli allerdings anfing und „Ekelbilder“ vom Mittagessen auf Instagram zu verbreiten, ziehen Kallis Eltern, die noch zu der Generation der „www“-Eingeber in der Browserzeile gehören, die Notbremse und kündigen ganz analog den Internetzugang.

(29) Der kleine Kalli – und der Kaffee-to-go

Während seines Praktikums im Hotel hat der kleine Kalli den gesamten Tiergarten Gottes kennengelernt. Von rüstigen Rentnern mit Ruhewunsch, wobei ebendiese zur Erfüllung selbigen lediglich das Hörgerät abschalten müssen, über Familien mit Animationswunsch, wobei diese Aufgabe im restlichen Jahr vom TV-Gerät übernommen wird, bis hin zu Welness-Fitness-Junkies, die auch im All-Inclusive-Urlaub nicht auf das Fitnessstudio verzichten können. Über die Sonderwünsche der Hotelgäste hat sich Kalli bereits am zweiten Tag nicht mehr gewundert. Während der eine Gast, weil er nicht einschlafen kann, nach der fehlenden Bibel auf dem Zimmer fragt, jagt der nächste damit Mücken. Das Vorhalten von Mon Chéri in den Sommermonaten zählt aber zu den weniger spektakulären Angeboten. Der kleine Kalli darf während seines Praktikums nicht nur erfahren, wie Menschen Hotelzimmer hinterlassen, sondern sich die Essgewohnheiten der Gäste studieren. Dabei fällt dem kleinen Kalli sehr schnell auf, dass die früheren Aufenthalte in Jugendherbergen die Hotelgäste wohl sehr geprägt haben. Immer wieder beobachtete Kalli, wie sich Gäste am Frühstücksbuffet Lunchpakete zusammenstellen. Da sowohl der Marketing- als auch der Küchenchef auf Kallis Vorschlag, Lunchpakete anzubieten, nur kopfschüttelnd reagierten, beschloss der kleine Kalli sich der Sache selbst anzunehmen. An seinem letzten Arbeitstag sah er einer rüstigen Rentnerin beim Verstauen unzähliger Fressalien vom Frühstücksbuffet in ihrer Handtasche zu. Als die Dame den Frühstücksraum verlassen wollte, wies sie der kleine Kalli, der schon mit einer Kaffeekanne am Ausgang auf sie wartete, darauf hin, dass sie ihren Kaffee-to-go vergessen hatte und schüttete den Kaffee in die Handtasche zu den anderen Leckereien.

(28) Der kleine Kalli – kommt in die Schule

Alles ist in den großen Sponge-Bob-Schulranzen gepackt. Stolze 13 Kilo bringt dieser inklusive Pausenbrot, Weltatlas, Wassermalkasten und Smartphoneladekabel auf die Waage. Zum Glück schafft die Schultüte, die in Zeiten der geforderten Cannabislegalisierung nur noch als Einschulungstrichter bezeichnet wird, das nötige Gegengewicht. Kallis neue Lehrerin, Frau Bader – eine nette, sympathische Frau – offenbart ihm, dass er in den nächsten Jahren mit Schuhkartons, undichten SIGG-Flaschen, Kastanienmännchen, Klopapierpapprollen, der Blockflöte und nicht zuletzt mit Eckenrechnen zu kämpfen haben wird. Svenja, Kallis neue Sitznachbarin, ist doof. Das stimmt zwar nicht, muss Kalli aber nach außen hin kommunizieren, damit er bei den anderen Jungs nicht selbst als doof dasteht. Schon in der ersten Stunde, die, da es sich wohl nicht um Mathematikunterricht handelt, nur 45 Minuten dauert, lernt der kleine Kalli den Leisefuchs kennen. Im Gegensatz zu seinen Mitschülern, ein ruhiger Zeitgenosse. Nachmittags auf dem Nachhauseweg von der Schule fragt die Nachbarin den kleinen ABC-Schützen: „Na Kalli, wie war’s denn in der Schule?“ „Schön“, antwortet der kleine Kalli, „aber morgen muss ich nochmal hin!“