Bonkos’ Lyrikecke:

Bonkos’ Lyrikecke:

Ein Gastbeitrag von M. Ohlendorf

Tussi-Alarm

Umsteigen und warten
Verspätung verkürzt den Aufenthalt
Das Buch nervt und die Musik kenn’ ich auswendig
Die Sonne zu heiß, der Schatten zu kalt.

Auftritt eines Farbmalkastens
Der Tag gerettet von dieser Frau
Hunde-Ratte im Arm und Animal Prints auf den Leggins
Tasche in Tiger, Koffer in Grau

Augen mit rosa Schatten
Glitzerstecker in der Lippe
Highheels-Spurt zum Fahrstuhl
Im Mundwinkel die Kippe

Die karikierte Karikatur einer Tussi
Aus meinen dunkelsten Alpträumen entsprungen
Panisch den Fahrstuhl rufen
Den Kinderwagen zum Warten gezwungen

Der Lift wuchtet die 170 Pfünderin neben mich
Frauchen und Hund geben Gas
Gleis rauf und runter bis zum Aushang
Ohren spitzen… das wird ein Spaß

Der Zug fährt ein, und wieder aus
Miss Kunterbunt beginnt den Fahrplan zu verdammen
Schimpfen kann sie trotz brüchigem Deutsch
Ich grinse – Sie bricht heulend zusammen

„Kann ich Ihnen irgendwie helfen?“
Der schluchzende Haufen Elend reicht mir einen Fahrschein
Das Handy verrät mir wie sie ans Ziel kommt
„Du schreiben“ Das schluchzen wird kleiner und klein

Schnell ist die Route übertragen
„Ruhig mein Kleiner, alles wird fein“
Frauchen und Hund sprechen ungarisch
Wie sollte es auch anders sein

Die Muttersprache gesprochen vom Fremden
Sie strahlt und die Tränen versiegen
„Du nimmst hier den nächsten Zug
In Weimar gehst du von Gleis 2 auf Gleis 7“

„Ich bin Max, wer bist du?“
„Judith. Ich bin von meinem letzten Geld her gekommen.“
Kurzfristig wurde ein Termin verschoben
Eine Reise durch fremdes Land unternommen

„Hast du hier Arbeit gefunden? Das ist gut“
Ein Nicken und ein schweigen
„Was machst du denn?“
„Was soll ich schon machen…“

Der Zuhälter ruft an und will sie in Rostock haben
Kurzes Geschrei und weitere Tränen
Alles bleibt beim Alten
Sie blickt mich dankend an.

Ich soll ein Engel sein?
Vom Himmel geschickt?
Sie fährt nach Zeitz
Wird von nem Rentner gefickt

So Chancenlos und ohne Zukunft
Auf den ersten Blick verlacht und abgestempelt
Auf den zweiten angewidert
Auf den dritten füllt sich mein Herz mit Mitleid

So einfach kann das Leben sein
Mit starken Menschen an der Seite
Fehlen sie ist’s unsagbar schwer
Beine breit, oder pleite?

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