+ unkonventionelle Herangehensweise
+ schauspielerische Leistung
+ regt zum Nachdenken an
– geringer Medieneinsatz
– aufdringliche Interaktion
Die Theater AG der Wigbertschule in Hünfeld hat mit “Mord im Orientexpress” eine durch und durch unkonventionelle Darbietung des Klassikers von Agatha Christie auf die Bühne gebracht und dem Publikum einiges abverlangt und zugemutet. Dabei gelang besonders der Ansatz die Hintergründe des Mordes zu beleuchten. So tauchte der Zuschauer überraschend in die Gefühlswelt der Armstrongs ein und verpasste gewissermaßen den eigentlichen Mord im Orientexpress. Die Schauspieler nutzten die Themen “Mord” und “Maske”, um mehrfach die Metaebene zu erklimmen und aus der eigenen Gefühlswelt zu berichten. Vielleicht über das Ziel hinaus geschossen wird der Zuschauer in die Rolle des unwissenden Schülers versetzt und mit Fragen und Belehrungen geradezu überworfen – Wortmeldungen und Mitmachen inklusive. Und so wird das Publikum mit der Nase auf Fragen (wie auf Beton) gestoßen, die es sich selbst zu Recht nie stellen würde. Auf die Kosten kommen bei dem Stück jedenfalls Menschen, die das Schräge und Skurrile in Agatha Christies Krimis vermissen und gerne die Hintergründe von Geschichten beleuchten, die besser im Dunkel bleiben. Auch wer bisher bei Verfilmungen mit der Umsetzung der Figur Hercule Poriot unzufrieden, weil nicht originalgetreu, war, wird bei dieser Version sicher in einem der vielen Herculeversionen fündig werden. Das Werk bietet einen tiefen, ehrlichen aber auch fassungslosen Blick hinter die Geschichte der Familie Armstrong und der Schauspieler. Keine leichte Kost also, die hier serviert wird. Dem Zuschauer wird einiges abverlangt und zuweilen, so etwa beim unkommentierten Vortrag eines Judenwitzes, der Bogen deutlich überspannt. Darüber vermag auch die durchweg sehr gute schauspielerische Leistung nicht hinweg zu trösten. Ein Stück wie der Besuch der unliebsamen Verwandtschaft.
7/10 Vorhängen